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Persönlichkeitsrecht: Weiterer Schutz gegen Gaffer?


Während sehr viele Verkehrsteilnehmer die Bilder von schrecklichen Verkehrsunfällen nur schwer verarbeiten können, empfinden einige eine regelrechte Freude an diesem Schrecken aus Tod und Verzweiflung. Wenn man aber bei einem ertappten Gaffer nachfragt, soll es keine Freude, sondern nur Neugier sein. Rechtsanwalt Oliver John fragt sich, wann diesem Treiben ein juristischer Riegel vorgeschoben wird.


1. Schaulustige, genannt „Gaffer“

So war es schon immer: Es muss erst etwas passieren, damit sich etwas ändert.

Nach öffentlichen Debatten und einem Ritt durch die Talkshows von Maischberger bis Lanz, erstellen endlich Juristen auf Bundes- und Landesebene komplizierte Gesetzentwürfe. Zum besseren Verständnis stellt so ein Entwurf die aktuelle Rechtslage und das nun aufgetretene Problem dar und bietet eine Lösung im Paragrafen-Deutsch an.

So reagierte der Bundesrat, also die Vertretung aller Bundesländer, auch im Sommer 2016 mit dem Gesetzentwurf über die „Effektive Bekämpfung von sogenannten Gaffern sowie der Verbesserung des Schutzes des Persönlichkeitsrechts von Verstorbenen“.

Denn es musste festgestellt werden, dass unsere Rechtsordnung keine Waffe gegen ein Phänomen hat, das mit der immer einfacher werdenden Verbreitung von Handy-Bildern entstand.

Immer mehr Schaulustige fotografieren bei schweren Unfällen die verunglückten Personen mit ihren Smartphones, statt ihnen zu helfen. Nicht nur unter Schmerzen leidende Opfer, sondern auch Tode werden gestochen scharf nach dem Motto verbreitet, was man da für eine tolle Sache erlebt habe. Die dafür notwendige ruhige Hand und der Drang, möglichst dicht heranzukommen, erschweren die Rettung von Verunglückten und gefährden nicht nur deren Persönlichkeitsrecht, sondern mit dem Zeitverzug das Leben der Unfallopfer.


2. Herumstehen

Nach dem neu im Jahre 2017 geänderten Strafgesetzbuch werden nicht nur Polizeibeamte, sondern auch Rettungskräfte oder das THW bei der Hilfeleistung besser unterstützt.

Während das bloße Herumstehen bis dahin nur dann strafbar war, wenn die Behinderung von Rettungsarbeiten mit Gewalt gegen den Helfer verbunden war, führt nun bereits die Behinderung selbst zum Straftatbestand.

Dies kann vor Ort für den Gaffer bedeuten, dass er nicht nur kurz beiseite geschoben wird, sondern per strafrechtlichem Sofortvollzug für mehrere Stunden in Untersuchungshaft genommen wird.

Auf eine zuvor nur als Ordnungswidrigkeit verfolgbare Behinderug, konnte der Beamte so nicht reagieren. Ihm steht nun gegen den Herumstehenden der neue § 115 StGB zur Verfügung.

3. Rettungsgasse

Die Änderung im § 323 c StGB, also zur unterlassenen Hilfeleistung, kann auch für die Rettungsgasse wichtig werden.

Wer einem Rettungswagen beharrlich den Weg auf der Autobahn versperrt, indem er keine Rettungsgasse läßt, begeht nun eine Straftat, keine Ordnungswidrigkeit.

Die "Krönung" der Unvernunft ist es in diesem Zusammenhang, wenn Autofahrer die von anderen gelassene Rettungsgasse zur Rückfahrt in entgegengesetzter Richtung nutzen. Aber dafür benötigt der Staatsanwalt wohl nicht mehr die Bestimmungen über unvernünftige Gaffer. Denn so ein Wenden auf der Autobahn mit anschließender Geisterfahrt gegen mögliche Krankenwagen, stellt einen Eingriff in den Straßenverkehr dar und endet damit, dass die Fahrerlaubnis weg ist.


4. Fotografieren

Auch hier besteht nach geltendem Recht eine Regelungslücke. Denn Aufnahmen von Toten sind vom Strafrechtsschutz bislang nicht erfasst.

Auch die Vorschriften des Nebenstrafrechts helfen nicht weiter, denn auch § 33 des Kunsturhebergesetzes, stellt nur die die Verbreitung eines Bildnisses eines Verstorbenen unter Strafe.

Nur die Verbreitung, nicht aber die Herstellung der Aufnahme, ist also verboten.

Ob der Gaffer das Bild bereits ins Netz stellte oder später noch verbreiten will, wird man ihm am Unfallort nicht so einfach nachweisen können.

Dies will der Bundesrat seit Jahren ändern und hat in 2019 einen neuen Anlauf genommen. Dem hat sich auch das Land Baden Württemberg angeschlossen und eine Initiative gegen das Fotografieren eines Toten gestartet.

Wenn der Bundestag zustimmt, wird das Fotografieren von Unfallopfern künftig mit Geldbußen oder sogar Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren bestraft.

Dann ist das „Herstellen und Übertragen einer Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt“ ein Straftatbestand.

Am 2. Juli 2020 hat der noch unter den Abstandsbedingungen der Corona-Krise stehende Bundestag das Strafgesetzbuch verschärft.

Nach der Verkündung im Amtsblatt wird auch das Fotografieren von toten Menschen eine Straftat mit den Folgen einer möglichen Gefängnisstrafe sein. Nach dem Grundsatz "nulla poena sine lege", also "ohne vorheriges Gesetz keine Strafe", muss die Tat danach liegen.




 
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